In einer intensivbetreuten WG begleitet Martina Bauer beeinträchtigte Kinder und Jugendliche ins Erwachsen-Werden.
Martina Bauer hat eines gemeinsam mit den Kindern, die sie in den Wohngruppen von St. Isidor betreut: Sie ist hier erwachsen geworden. Mit 17 Jahren fing sie als Unterstützung für eine Kinderdorf-Mutter an und half einem beeinträchtigten Mädchen dabei, den Alltag zu meistern. Eigentlich war es als Überbrückung gedacht, bis sie die Hebammenschule starten konnte. Doch Martina Bauer blieb hängen. Fast 30 Jahre später ist sie immer noch mit Begeisterung dabei.
Heute arbeitet sie in einer intensivbetreuten Kinder-WG. Auf drei Kinder und Jugendliche im Schulalter kommen zwei Mitarbeiter*innen und ein Zivi, die sich um den gesamten Lebensalltag der Kinder kümmern. „Was ich hier tue, hat einen großen Stellenwert in meinem Leben“, betont Martina Bauer. „Die WG ist fast wie eine zweite Familie. Ich habe ein starkes Verantwortungsgefühl gegenüber den Kindern und Kolleg*innen. Die Arbeit ist sinnstiftend: Ich gehe hinaus und weiß, was ich gemacht habe. Und die Arbeit fordert und erfüllt mich allumfassend – mein Herz und mein Hirn.“
An Schultagen beginnt ihr Dienst zu Mittag. Sie bereitet das Essen für die Gruppe vor. Wenn die Kinder mit dem Fahrtendienst von der Schule heimkommen, tauscht sie sich beim Mittagessen mit ihnen aus. Nach der Mittagsrast geht es an die Hausübungen. Nicht nur für die Schule, auch die Aufgaben von Logopädin oder anderen Therapien werden dann angegangen – oder Arzt- und Therapietermine wahrgenommen. Am Wochenende ist mehr Zeit für Freizeit. Dann geht es ins Hallenbad, den Tierpark, ins Kino oder den Motorikpark.
Ein Daheim für alle
„St. Isidor ist das Zuhause der Kinder“, erklärt Bauer. „Es soll ihnen hier gutgehen. Es geht uns darum, das, was sie erlebt haben, die Traumata, etwas glatter zu machen. Und ihnen Handwerkszeug für das Leben mitzugeben.“ Oft wechseln die Kinder nach St. Isidor, wenn die Eltern oder der alleinerziehende Elternteil an die Grenze kommen. Jedes zweite Wochenende besuchen die Kinder dann ihre Eltern. Ihr Leben spielt sich jedoch in St. Isidor ab. „Diese Situation ruft bei den Kindern natürlich auch starke Emotionen hervor“, sagt Bauer. Wenn emotionale Krisen ausbrechen, passiert dies abends oder am Wochenende, falls die Kinder nicht heimfahren dürfen. Das fordert Martina Bauer am meisten. „Ich bin gar nicht sicher, was herausfordernder ist“, gesteht die 46-Jährige. „Mit der Wut eines Kindes konfrontiert zu sein oder die stumme Traurigkeit, wenn ich mit Trösten und Dasein nichts bewirken kann.“ Dann schöpft sie Kraft aus sich selbst – schaltet umso mehr ihr Herz ein und geht authentisch mit der Situation um. „Ich lebe mit den Kindern. Sie dürfen und sollen mich kennen, wie ich bin – als Mensch mit Stärken und Schwächen, der sich abends die Zähne putzt und selbst eine Familie zuhause hat“, so Bauer. „Das Herz muss in dieser Arbeit unbedingt dabei sein. Ein Analytiker wäre hier verloren.“
Besonders freut es sie, wenn sie den Kindern Erfahrungen ermöglichen kann, die manche von ihnen noch nie hatten – in Urlaub zu fahren oder eine Geburtstagstorte zu bekommen. „Auch ihre Fortschritte und die Lernerfolge innerhalb eines halben Jahres zu sehen ist wunderschön“, betont Martina Bauer. Wichtig findet sie es dabei, die kleinen Erfolge zu sehen und nicht auf das Große zu warten. Und als Teamplayerin ist das gemeinsam Geschaffte für sie besonders viel wert. „Mir macht es viel Spaß, mit Kolleg*innen gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten“, betont sie. So entsteht in der Wohngruppe eine familiäre Atmosphäre, eine Wärme, die sie jeden Tag gerne kommen lässt. „Ich kann mir keinen besseren Job für mich vorstellen“, sagt sie überzeugt.
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