"Sinn und Unsinn" Nachbericht der Fachtagung vom 17.5.2022

Viele Interessierte folgten der Einladung von Caritas invita, sich auf die Suche nach Sinn und Unsinn in der Begleitung von Menschen mit Beeinträchtigungen zu begeben. Für die meisten war es nach langer Pandemiezeit eine der ersten größeren Veranstaltungen. Das Thema der Fachtagung trug zu einer entspannten, ja fast heiteren Stimmung bei.

Wie Direktor Franz Kehrer der Caritas OÖ bei seiner Eröffnungsrede anmerkte, brauche es zu einem guten Leben Begegnung, Interaktion und Austausch. Für viele Menschen sei in der vergangen Zeit die Frage nach dem Sinn des Lebens bedeutungsvoller geworden. Als Organisation müssten wir mehr denn je eingefahrene Wege verlassen und uns Neuem, Unbekanntem zuwenden.

Expert*innen mit und ohne Beeinträchtigung diskutierten am Podium. Sie  beantworteten spannende Fragen, die von August Hinterberger (Abteilungsleiter invita) – dem Initiator der Fachtagung – mit Bedacht und Umsicht gestellt wurden. Die unterschiedlichen Perspektiven der Antworten eröffneten Räume zu Interpretationen, zum Reflektieren und Nachfragen, gaben Ausblicke auf neue Projekte und luden zum Hinterfragen und Nachdenken ein.

Ein unvollständiger Auszug:

Die Zuhörer*innen erfuhren von Landesrat Dr.  Wolfgang Hattmannsdorfer von einem inklusiven Wohnprojekt in Wegscheid, das derzeit gemeinsam mit der LAWOG als Pilotprojekt gestartet wird. Er betonte, dass Oberösterreich das Land der Möglichkeiten sei, wir stolz darauf sein könnten, uns jedoch nicht zurücklehnen dürften. Er lud dazu ein, weiter die inklusive Denkweise in alle Richtungen zu forcieren.  Er sprach von einem „Bestreben, miteinander zu schauen, dass es jeden Tag ein bisschen besser wird.“

Der Obmann der Vereinigung der Interessensvertretungen der Menschen mit Beeinträchtigungen in OÖ (IVMB) Alfred Prantl fand es besonders sinnlos, dass Menschen mit Beeinträchtigungen immer noch ein Taschengeld statt Lohn erhalten.

Dabei wäre vieles ohnehin schon gesetzlich geregelt, merkte Stefan Pimmingstorfer, Vorstand der Caritas OÖ, an – und verwies auf die UN Behindertenrechtskonvention, welche besagt, dass die Vertragsstaaten den Arbeitsmarkt so zu gestalten haben, dass es Menschen mit Beeinträchtigung möglich gemacht wird, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen - es fehle an der Umsetzung und Durchführung. Dass nicht alles für jede*n passe, müsse klar sein. Wichtig sei es, Wahlmöglichkeiten zu schaffen.  Es brauche mutige Kooperationen. Es brauche Vordenker*innen und Ermöglicher*innen.

Am Podium vertreten waren auch von invita begleitete Menschen. Christina Scheiber möchte ihre Leistungen anerkannt sehen. Sie berichtet von nach wie vor starken Stigmatisierungen von Menschen mit psychischen Problemen. Stefan Wild befand, dass die Tagesstruktur mehr gewürdigt gehöre.

Dass in Oberösterreich schon vieles gut läuft, findet auch Psychiaterin Dr. Adelheid Kastner. Dass es aber für Menschen nach der Forensik unmöglich sei, wieder einen Anschluss zu finden, ärgere sie sehr.

Für Traumatherapeut Dr. Karl Arthofer brauche es einen guten Rahmen für Menschen mit Beeinträchtigungen zur Entfaltung. Wichtig seien neben den organisatorischen Kriterien innere Komponenten wie Haltung und Empathie.

Dr. Georg Fraberger forderte Mut zum ständigen Scheitern. Es gelinge im zwischenmenschlichen Kontext leichter dazuzugehören als im beruflichen. Die fertige Lösung gäbe es nicht.

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Dr. Georg Fraberger eröffnete seinen Vortrag mit einem Blick auf Menschen, deren eigenes sinnhaftes Handeln oder Denken nicht immer mit den Vorstellungen der anderen zusammenpasst, sogar oft zum Ausschluss aus der Gesellschaft führt. Er warf Fragen auf, wie etwa: Wie erkenne ich mich selbst? Was macht mich aus? Wofür lohnt es sich für mich? Welchen Preis bin ich zu zahlen bereit, um frei zu sein? Und wie definiert sich diese Freiheit? Wie kann ich Wiederholungen unterbrechen und etwas Neues zulassen? Wie werde ich zum Goldfisch im Haifischbecken? Wichtig war ihm auch der Blick auf das Gute und wie es gelingen könne, beim Guten zu bleiben und den Sinn dafür nicht zu verlieren. Mut brauche es und einen ehrlichen Blick auf das eigene Wollen und Wünschen, um ein gelingendes Leben zu führen.

In zahlreichen Videosquenzen – selbst aufgenommen von verschiedensten Menschen zu Fragen nach Sinn und Unsinn – erfuhren die Teilnehmer*innen Heiteres, Trauriges und Erstaunliches (auch über den Herrn Landeshauptmann).

Ein von Volker Hofer und Tamara Aspöck Feichtinger , beide invita, im Vorfeld der Tagung initiiertes Kunstprojekt beeindruckte die Besucher*innen während der Tagung und regte nicht nur in der Pause zur Auseinandersetzung an. Über 40 Exponate von Personen und Organisationen erweiterten den Tagungsraum und eröffneten vielfältige Betrachtungsweisen. Die Kunstwerke setzten sich natürlich auch mit Sinn und Unsinn auseinander. Da gab es einen Maskenbaum, Gedichte, weiße leere Blätter und vieles mehr zu betrachten, zu erforschen und zu bestaunen und zu hinterfragen.

Workshops luden am Nachmittag zum Vertiefen und Ausprobieren ein. Es gab eine Lesung und Improtheater sowie kreative Freiräume. Aufforderungen zum Er- und Begründen. Einladungen zum Ausprobieren und Versuchen. Betrachtungen und Impulse zum Nachmachen und Vormachen.

„Seien Sie auf der Hut und verlieren Sie den Unsinn nicht aus den Augen“  empfahl August Hinterberger mit einem Augenzwinkern den Teilnehmer*innen der Fach-Tagung.

Auch das Inklusive Redaktionsteam war mit Andreas Knogler, Barbara Schinnerl, Sabine Zeller und Bernadett Gumpenberger vor Ort und hat ein paar gute Statements erhalten:

Stefan Pimmingstorfer: „Ein wertvoller und sinnvoller Tag mit interessanten Menschen. Ich fand es sehr schön, endlich wieder viele Menschen im Rahmen einer Weiterbildung zu treffen. Ein großer Dank an alle beteiligten Personen von invita, die sich mit dem Thema mutig auseinander gesetzt haben. Wir stellen uns diesem Thema, auch wenn es eine intensivere Auseinandersetzung  braucht.“

Dr. Georg Fraberger: „Es ist sinnvoll, wenn man wieder miteinander leben kann an so einem Tag. Es gibt nur eine Lebenszeit, das Trennen ist wenig sinnvoll. Wir leben auch an so einem Tag gemeinsam.“

Wolfgang Neubacher (Interessenvertreter invita): „Es war sehr interessant, ich habe viele nette Leute getroffen. Es ist mir etwas hängengeblieben. Herrn Fraberger fand ich besonders spannend, er hat gute Beispiele gebracht.“

Alfred Prantl auf die Frage, was ist das Sinnvollste sei, das er in seiner Zeit als Obmann weitergebracht hat: „Wir waren maßgeblich daran beteiligt, dass die Interessenvertretung im OÖ CHG verankert ist. Auch auf das Gütesiegel Sexualität sind wir stolz. Die langwierige Geschichte "Lohn statt Taschengeld" finde ich unsinnig, auch das österreichische Schulsystem, das gar nicht inklusiv ist.“

Fotogalerie der Veranstaltung unter: https://www.flickr.com/photos/caritas-ooe/albums/72177720299051194