Erkoren statt geboren: Freiwillig große Schwester
Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein Dorf. Manchen Familien fehlt dieses soziale Netz. Ihnen hilft das Familientandem. Johanna Zehetner ist ehrenamtlich dabei und unterstützt eine alleinerziehende Mutter, deren Sohn das Down-Syndrom hat.
Sie war 17, der Sommer nahte – und mit ihm der Tatendrang. Johanna Zehetner wollte was tun. Einen Nebenjob parallel zur Schule, eine Ferialarbeit, ein soziales Engagement, egal. Die junge Rottenbacherin war offen, unkompliziert und bereit, sich auf alles einfach einzulassen.
Heute, zwei Jahre später besucht, sie jeden Freitag Noah. Noah ist halb so alt wie Johanna und hat das Down-Syndrom. Seine Mutter ist alleinerziehend und kann eine helfende Hand brauchen. Zumindest einmal pro Woche hat sie so ein paar Stunden, in denen sie in Ruhe einkaufen gehen kann, Besorgungen erledigt oder einfach einmal Zeit für sich hat. Währenddessen spielt Johanna mit Noah – Fußball, Radfahren, Trampolin, oder sie klettern auf der Kletterwand in Noahs Zimmer. Der Junge hat immer genügend Ideen, um die gemeinsame Zeit zu füllen.
„Familientandem” nennt sich das Projekt, bei dem Freiwillige Familien unterstützen, die auf sich alleine gestellt sind oder kein ausreichend großes soziales Netz haben. Johanna erfuhr davon bei einem Treffen mit Martin Wintereder von der RegionalCaritas. Auf der Suche nach einer Beschäftigung hatte sie auf der Freiwilligen-Website der Caritas gestöbert und im Kontaktformular alles angekreuzt, das sie sich vorstellen konnte. Wenig später wurde sie bei Martin vorstellig. Der weiß immer ganz genau, was im von ihm betreuten Bezirk gerade gebraucht wird, wie die verschiedenen Menschen ticken und wer gut zusammenpasst. Er schlug Johanna das Familientandem vor. Johanna ließ sich drauf ein. Beim ersten Besuch wurde sie noch von einer Mitarbeiterin begleitet, um zu sehen, ob die Chemie stimmt. Dann lief es.
Mittlerweile ist das Trio zusammengewachsen. Johanna versteht sich nicht nur mit Noah gut, sondern auch mit der Mama. Und auch wenn Noah es anfangs merkwürdig fand, dass Johanna regelmäßig zu ihm kam, will er sie mittlerweile hin und wieder gar nicht mehr heimfahren lassen. Manchmal schnappt er sich in einem unbeobachteten Moment das Handy seiner Mama und ruft Johanna einfach so an.
„Ich hatte in meinem Leben generell wenig Kontakt mit Kindern”, erzählt Johanna. Das sieht sie auch als Vorteil: „Ich hatte keinen Vergleich mit anderen Kindern und habe mich einfach auf Noah eingelassen und ihn genommen, wie er ist.” Heute ist Noah ein fester Bestandteil ihres Lebens – und das Engagement ist gleichzeitig eine willkommene Abwechslung zu ihrem Alltag. „Gelegentlich fordert er mich sehr. Dann ist er wieder so freudig und so unglaublich herzig. Ich selbst bin in dieser Zeit auch offener geworden für Kinder mit Handicap – und das Familientandem hat mein Bewusstsein dafür gestärkt.”
Diesen Artikel lesen Sie auch in der aktuellen Ausgabe der „nah dran“. Kostenlos abonnieren bei der Caritas Information, Tel. 0732/7610-2020, information@caritas-linz.at