Daniel ist eines der fünf Kinder in Marcel Mittermayrs Wohngruppe. Zwei BetreuerInnen sind am Tag für die Kinder und Jugendlichen da.
In der „Gruppe mit erhöhtem Pflegebedarf“ in St. Isidor leben schwer beeinträchtigte Kinder, deren Eltern mit der Betreuung überfordert waren. Marcel Mittermayr gehört zu einem Team, das sich rund um die Uhr um sie kümmert. Der gelernte Elektromaschinentechniker sattelte nach dem Zivildienst auf den Sozialbereich um.
Kinder und Jugendliche zur Selbständigkeit zu bringen ist die oberste Maxime in der Arbeit von Marcel Mittermayr. Die jungen Leute, die er unterstützt, sind blind, haben Autismus, Epilepsie oder eine andere schwere Beeinträchtigung. Sie alle sind entwicklungsverzögert. Deshalb leben sie in der Caritas-Einrichtung St. Isidor.
Die Arbeit mit beeinträchtigten Menschen war für Marcel Mittermayr völliges Neuland, als er im Zivildienst nach St. Isidor kam. Mit 15 hatte der Linzer eine Lehre zum Elektromaschinentechniker gemacht und bis dahin in diesem Beruf gearbeitet. Für den Zivildienst in St. Isidor entschied er sich aufgrund der örtlichen Nähe. Von da an stand Arbeit mit Menschen auf dem Programm - Pflege auf der einen Seite, Pädagogik auf der anderen. Er half den Kindern beim Baden und beim Essen und wechselte die Einlagen. Gleichzeitig war er von Anfang an in den pädagogischen Aspekt der Arbeit voll involviert – und dieser erforderte nicht wenig Kreativität.
Wie unterstützt man ein Kind dabei,möglichst viel selbst zu machen?Wer in den Wohngruppen in St. Isidor arbeitet, stellt sich diese Frage täglich. Jedes Kind ist anders und wird dementsprechend individuell gefördert. Kürzlich entwickelte Marcel Mittermayr einen Löffel aus Fimo, um einem Jungen zu helfen, besser greifen zu können. Der Junge brauchte einen dickeren Griff - und so wurde das PädagogInnen-Team eigeninitiativ. Genau diese Freiheit und das Ausprobieren waren es, was Marcel besonders Spaß machte. „Es taugt mir, hier so viel machen zu können“, so der heute 20-Jährige. „Hier bin ich immer gerne in die Arbeit gegangen – deshalb habe ich mich nach dem Zivildienst dazu entschlossen,weiterhin hier zu arbeiten.“ Während er nun in den Wohngruppen arbeitet, macht er nebenbei die Berufsausbildung,die er innerhalb von fünf Jahren abschließen muss.
Kinder zu Selbständigkeit anzuleiten erfordert viel Geduld. Man muss aushalten können, dass das Anziehen einmal länger dauert. Oder dass ein Kind ein Jahr braucht, bis es gelernt hat, sich ganz alleine anzuziehen.
Diese Herangehensweise hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert, weiß Bettina Gerstmayr, die seit 14 Jahren das Haus leitet. „Früher wurden die Kinder ‚in Watte gepackt‘. Heute lassen wir sie so viel machen, wie es nur irgendwie geht. Sie sollen ihre eigenen Erfahrungen machen und daraus lernen.“ Die Geduld wird belohnt. Jedes Lachen der Kinder bringt Freude in den Tag. Und wenn ein Junge, der mit 7 Jahren nach St. Isidor kam, mit 17 eine Lehre bei Wacker Neuson beginnt, sieht die Hausleiterin: Die Arbeit ist aufgegangen. „Da hast du einen Burschen, der im Leben steht und von dem du weißt, er kann es schaffen einmal eigenständig zu leben.“
Die Schritte auf dem Weg dorthin passieren permanent – wenn Menschen wie Marcel Mittermayr den Kindern bei den Hausübungen helfen, sie zu Therapien begleiten, mit ihnen auf den Spielplatz gehen oder Ausflüge machen. Oder wenn ein Jugendlicher beginnt in einer Tagesstruktur zu arbeiten und der Schulbus vom Arbeitsbus abgelöst wird. Ein kleiner Schritt in den Bus. Ein großer Schritt für das Team.