Eine Frau und ein Mann sitzen neben einander und lächeln in die Kamera.

Mir liegen ältere Menschen sehr am Herzen

Vor zwei Jahren floh Tenzin Sepa (27) vor der chinesischen Regierung aus Tibet. Er erhielt in Österreich einen positiven Asylbescheid und begann im Vorjahr mit der Ausbildung zum Fach-Sozialbetreuer Altenarbeit an der Caritas-Schule in Linz. Pflege ist für ihn kein Neuland. In seiner Heimat pflegte er seine Oma, die mit im Haus lebte: „Dass man als Mann innerhalb der Familie die Pflege seiner Oma übernimmt, ist in Tibet nichts Außergewöhnliches.“

 

Vor zwei Jahren hätte der 27-jährige Tenzin Sepa nicht gedacht, dass er heute ein Leben fern von Tibet führen würde. Der junge Mann ist in Tibet auf einem kleinen Bauernhof aufgewachsen. Die Mutter starb, als Tenzin vier Jahre alt war. Er wurde von seiner ältesten Schwester aufgezogen. Nach der Schule wollte er Politikwissenschaften studieren. Doch Tibeter, die sich weigerten einen chinesischen Reisepass zu beantragen, dürfen nicht studieren. So blieb Tenzin zu Hause, half auf dem Hof und pflegte seine betagte Oma, die mit im Haus lebte. „In Tibet werden alle Menschen zu Hause betreut und gepflegt. Es gibt keine Altenheime wie hier in Österreich“, erzählt der Tibeter. Dass er als Mann innerhalb der Familie die Pflege seiner Oma übernommen hat, sei nichts Außergewöhnliches gewesen. „In Tibet wird die Pflege gleichermaßen von Frauen und von Männern übernommen.“ Nachdem seine Oma 2014 mit 95 Jahren verstorben ist, half Tenzin verstärkt am Hof. Eines Tages nahm er gemeinsam mit Freunden an einer Demonstration gegen die chinesische Regierung teil. Als er nach Hause zurückkam, erfuhr Tenzin von seinem Vater, dass seine Freunde bereits von der Polizei abgeholt worden sind. Tenzin und seine Familie wussten, dass ihm nur mehr die Flucht blieb, um in Freiheit zu leben. Die Flucht ging über Nepal. „Dass ich nach Österreich kommen würde, wusste ich nicht. Ich kannte ja nicht einmal den Namen dieses Landes“, lächelt er.

Im Dezember 2016 schließlich kam er in Wien an. In Krems/NÖ wartete er, bis er nach einem Jahr den positiven Asylbescheid bekam. „Hier lernte ich zwei österreichische Frauen kennen, die sich um mich wie um einen Sohn kümmerten“, bemerkt er dankbar. In Österreich wollte er an einen Ort ziehen, wo er seiner Religion nachgehen konnte und wo er eine tibetische Gemeinschaft finden würde. Er entschied sich für Linz. Er besuchte Deutsch-Kurse am BFI und arbeitete nebenbei in einem Restaurant. „Doch mir liegen ältere Menschen sehr am Herzen.“ Deshalb hat Tenzin im Rahmen eines Freiwilligen Integrationsjahres von März bis August vergangenen Jahres im Caritas-Seniorenwohnhaus Karl Borromäus als Praktikant gearbeitet. Anschließend hat er mit der zweijährigen Ausbildung zum Fach-Sozialbetreuer Altenarbeit an der Caritas-Schule für Sozialbetreuungsberufe in Linz begonnen. Im Zuge der Ausbildung arbeitet er nun erneut als Praktikant im Seniorenwohnhaus Karl Borromäus: „Ich bin sehr offen vom Team aufgenommen worden und habe schon sehr viel von den MitarbeiterInnen gelernt. Auch die Arbeit mit den BewohnerInnen macht mir Freude. Nachdem die meisten Leute aufgrund ihres Alters sehr langsam sprechen, kann ich sie gut verstehen. Nur den Dialekt muss ich noch lernen.“


Derzeit absolviert Tenzin sein dreimonatiges Sozialbetreuungspraktikum in der Elisabeth Stub’n, der Caritas-Tagesbetreuung für Menschen mit Demenz. „Mit den Leuten zu arbeiten, mit ihnen zu reden, zu spielen, Ausflüge mit ihnen zu unternehmen - wie vor kurzem ins Café Jindrak – das ist wirklich schön“, schwärmt er. Doch auch die Tagesgäste schwärmen von diesem höflichen jungen Mann. Besonders begeistert waren sie, als er ihnen von seinem Heimatland erzählt hat.

Auch in der Caritas-Schule fühlt er sich wohl. Dass er so viel über die Betreuung und Pflege alter Menschen lernen kann, hätte er nie gedacht. „Jetzt erst weiß ich, wie viel leichter alles gewesen wäre, wenn ich für die Pflege meiner Oma damals schon das Wissen gehabt hätte, z.B. über die richtige Hilfe bei der Essenseingabe oder wie man jemandem richtig aus dem Bett hilft. Auch über Demenz wusste ich vorher überhaupt nichts.“

Was Tenzin allerdings ein besonderes Anliegen ist, ist, dass die Familie durch niemanden zu ersetzen ist: „Wir Betreuungskräfte sorgen natürlich mit Herz für unsere BewohnerInnen, aber wir können die eigene Familie nicht ersetzen. Es wäre also schön, wenn die Familien ihre Mütter, Väter, Omas und Opas so oft wie möglich im Seniorenwohnhaus besuchen.“

Tenzin selbst hat seit seiner Flucht vor 2 Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Familie: „Das macht mich sehr traurig. Aber zu telefonieren, mailen oder Briefe zu schreiben ist zu gefährlich.“

Information: Anmeldungen zur Ausbildung in den Sozialbetreuungsberufen für den Schulstart im September sind ab sofort möglich: Caritas-Schule für Sozialbetreuungsberufe, Schiefersederweg, Tel.: 0732 / 732 466, www.ausbildungzentrum-linz.at

Ein Mann und eine Frau sitzen zusammen an einem Tisch und spielen ein Brettspiel.

Tenzin Sepa bei seinem Praktikum in der Elisabeth Stub'n, der Tagesbetreuung für Menschen mit Demenz in Linz.