Zwei bis drei Jahre dauert die Ausbildung in den Sozialbetreuungsberufen. Danach stehen den Absolvent*innen vielfältige Berufsfelder offen – die es auch leicht machen zu wechseln, wenn man sich umorientieren möchte. Während den Praktika gibt es so manche Überraschung und Situation, die für das Leben festigt.
Paris – New York – London. An diesem Nachmittag halten die großen Metropolen Einzug ins Seniorenwohnhaus Schloss Hall. „Deutschland?“, fragt Praktikantin Viktoria Schnabl. „Berlin“, kommt es ohne Zögern von der Gruppe an Senior*innen zurück. Die verschiedenen Hauptstädte sind noch gut im Gedächtnis. Nur bei Brasilien entfacht sich eine Diskussion: Rio oder doch Brasília?
Eine Seniorin geht vorbei, bleibt stehen, schaut eine Weile zu. „Ist das jetzt die Millionenshow?“, fragt sie verschmitzt.
Ja, sie ist es, und sie kommt immer gut an, obwohl es keine Million zu gewinnen gibt. Viktoria Schnabl hat ein abwechslungsreiches Programm zur Aktivierung austüftelt. Die 21-Jährige ist mittendrin – in ihrer Ausbildung, im Praktikum und im Seniorenwohnhaus. man spürt ihren Tatendrang. „Warst du schon einmal in Paris?“, fragt sie Helga, nachdem diese die französische Hauptstadt genannt hat. Helga verneint. „Ich auch nicht“, gibt Victoria Schnabl zurück. „Dann können wir ja mal gemeinsam dorthin auf ein Croissant und eine heiße Schokolade.“
Vier Senior*innen sind der Einladung zum Gedächtnistraining gefolgt. Am Ende der Runde sind es sechs. Die soziale Aktivität zieht an. Helga ist besonders fit und weiß fast alles. Barbara hingegen hält sich mehr zurück. Victoria spricht sie immer wieder direkt an, um auch sie mit einzubeziehen. Mit Hubert, der nicht sprechen kann, verständigt sie sich mittels Gestik. Die Praktikantin ist in der vierten Woche ihres Praktikums und doch irgendwie schon wie ein alter Hase. „Mit der Zeit entwickelt sich ein Einklang und man merkt die Bedürfnisse der Bewohner*innen, auch wenn sie sich nicht artikulieren können“, so die junge Frau. Anfangs betreute sie Bewohner*innen, die noch mobiler sind. Mittlerweile bedient sie auch den Hebekran, wenn sie einem Bewohner mit muskulärer Distrophie bei der Körperpflege hilft.
Einblicke in der Praxis
Eine soziale Ader hatte Victoria Schnabl schon immer. Schon in ihrem früheren Beruf als Friseurin war sie zwischenmenschlich eine wichtige Ansprechpartnerin für ihre Kund*innen. Doch es zog sie in den Sozialbereich. So inskribierte sie an der Caritas-Schule für Sozialbetreuungsberufe am Schiefersederweg in Linz. Die Praktikumsstelle im Seniorenwohnhaus suchte sie sich selbst, so wie sich alle Schüler*innen ihre Praktika selbst organisieren. Eigentlich wäre ein Tageszentrum am Programm gestanden, doch die junge Frau fand das Seniorenwohnhaus Schloss Hall ansprechender - durch das dortige Konzept eines Aktivteams. Mitarbeiter*innen haben hier eigene Stunden für die Sozialbetreuungszeit. Es gibt eine Werkstatt, in der getöpfert und gebastelt wird. Im Lift hängt der Wochenplan für die Sozialbetreuungs-Aktivitäten aus.
Viktoria Schnabls Morgen beginnt mit zwei Stunden Pflege. Dann geht es an die Aktivierung. „Ich konnte mir früher nicht vorstellen, wie das funktioniert“, gesteht die junge Frau. Mittlerweile hat sie Routine. Sie findet Ideen auf der Website mal-alt-werden.de oder indem sie auf Pinterest nach „Aktivierung“ sucht. Am Ende fragt sie die Runde, was die Senior*innen beim nächsten Mal tun möchten. „Stadt – Land – Fluss“, sagt Toni. Zwei Bewohnerinnen möchten spazieren gehen. Alles wird notiert.
Hand in Hand: Unterricht und Praktika
Auch in der mobilen Pflege hat sie schon Praktika gemacht. Doch das Strukturierte im Seniorenwohnhaus sagt ihr mehr zu. Es stehen noch Praktika in psychosozialen Einrichtungen und bei der Familienhilfe an, doch Viktoria Schnabl weiß schon, wo sie zuhause ist: „Bis in meine Jugend habe ich viel mit meinem Opa gemacht“, erzählt sie. „Dabei habe ich viel Zwischenmenschliches gelernt und gemerkt, dass das Alter viel Weisheit bringt. Ich mag es, wenn mir jemand etwas auf diese Weise weitergibt.“ Und umgekehrt sind die Gespräche und Begegnungen genauso wertvoll. „Eine Pflegeperson ersetzt keine Angehörigen“, weiß die junge Frau. „Aber schon ein zehnminütiges Gespräch kann den Menschen ihren Tag versüßen.“
Zwei Tage pro Woche ist sie im Seniorenwohnhaus. Den Rest der Zeit hat sie Unterricht an der Schule. Dort wird sie gut vorbereitet. Insbesondere vom anatomischen Wissen profitiert sie, und auch vom Fach Kommunikation. „Davon war ich sehr begeistert“, betont sie. „Man lernt dabei auch viel für sich.“
Eine Ausbildung, bis zu fünf Berufsabschlüsse
Auch die Praktika werden im Unterricht begleitet. Pädagogin Doris Fölser steht mit der Abschlussklasse der Tagesform Familienarbeit gerade vor der finalen Praktikumsbesprechung. 18 Schüler*innen sitzen in der Klasse. Nach der Ausbildung haben sie fünf Berufsabschlüsse in der Tasche: Sie können in der Familienhilfe arbeiten, in der sozialpädagogischen Kinder- und Jugendhilfe, in der Behindertenarbeit, in Kindertageseinrichtungen oder als Pflegeassistenz.
Zweieinhalb Jahre sind die 19- bis 25-Jährigen nun an der Linzer Schule am Schiefersederweg. In dieser Zeit haben sie acht Praktika durchlaufen. Zwei stehen noch im nächsten halben Jahr an. Danach haben sie in den 1.800 Stunden einen ausgiebigen Einblick in die verschiedenen Arbeitsfelder erhalten.
Elena hat die Arbeit in der Familienhilfe besonders begeistert. „Ich habe eine Familie über einen längeren Zeitraum begleitet und konnte sehen, wie sich das Baby entwickelt hat“, erinnert sie sich. „Das war eine der schönsten Sachen überhaupt.“ Sie lernte, mehr Spielraum zu lassen, wenn die Buben sich etwas ausstritten. Mit Jugendlichen war sie unsicherer: Würden die Jugendlichen sie überhaupt ernst nehmen? Der Altersunterschied zu den Auszubildenden, die mit 17 Jahre beginnen, ist nicht groß.
Anders ist es in der Teilzeit-Form. Hier sitzen einige Umsteiger*innen, die zum Teil auch in ihren 50ern sind. Der Altersschnitt ist um die 30 – viele junge Väter und Mütter, die sich neben ihrer Jungfamilie ein berufliches Standbein mit Jobsicherheit aufbauen…
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