Marlene Mayr Foto: Iby
Hilfe anzunehmen ist für pflegende Angehörige nicht immer leicht. Marlene Mayr, Leiterin der Servicestelle für pflegende Angehörige, spricht über Möglichkeiten und Sinnhaftigkeit von Unterstützungsmöglichkeiten.
Wie hält man Pflegeaufgaben und eigenes Wohlbefinden in Balance?
Mayr: Es ist nicht immer einfach, auch einmal auf sich selbst zu schauen. Es ist tief in uns verankert, jemanden, der hilfsbedürftig ist, zu unterstützen. Vor allem, wenn es sich um Angehörige handelt. Es braucht jedoch ein Stück an gesundem Egoismus: Sich bewusst eine Auszeit zu gönnen und dafür fixe Zeiten einzuplanen kann helfen, sich nicht gänzlich aufzuopfern. Sich Freiräume zuzugestehen und Hobbys nachzugehen, kann die eigenen Kraftreserven wieder füllen. Weil das alleine oft nicht machbar ist, bietet die Caritas-Servicestelle Unterstützung für pflegende Angehörige an.
Wie sieht diese Unterstützung aus?
Wir bieten psychosoziale Beratung, Treffpunkte zum Austausch von pflegenden Angehörigen, Vorträge und Kurse sowie Erholungstage für betreuende und pflegende Angehörige in Schlierbach und Windischgarsten. Pflegende Angehörige erhalten hier die Möglichkeit, vier oder fünf Tage Auszeit zu nehmen und den Betreuungsalltag hinter sich zu lassen. Es ist eine optimale Möglichkeit, die Pflege und Betreuung kurzzeitig abzugeben. Wer gemeinsam mit dem zu pflegenden Angehörigen eine Auszeit nehmen möchte, dem stehen die Erholungstage für Pflegende und Gepflegte in Vöcklabruck zur Verfügung. Dort kann der Gepflegte in das Programm miteingebunden oder die Kurzzeitpflege vor Ort in Anspruch genommen werden.
Doch nicht immer wird Hilfe angenommen...
Zum einen liegt das daran, dass die Pflege und Betreuung von nahen Angehörigen häufig als selbstverständlich erachtet wird. Es wird als etwas ganz Normales angesehen, das man möglichst ohne fremde Hilfe schaffen möchte. Mein Appell daher: Ihr müsst keine Einzelkämpfer sein – nehmt Hilfe an! Zum anderen definieren sich Menschen oft erst sehr spät als pflegende Angehörige und fühlen sich deshalb von Unterstützungsangeboten zunächst nicht angesprochen. Der Aufwand für Pflege und Betreuung ist zu Beginn meist überschaubar. Nach und nach werden diese Hilfestellungen aber immer mehr, und plötzlich ist man voll aus- oder sogar überlastet. Sich vorbeugend über Hilfsangebote zu informieren kann daher niemals schaden.
Welche Folgen drohen, wenn man die Pflege alleine stemmen möchte?
Neben körperlichen Symptomen wie Müdigkeit oder Gelenks-und Rückenschmerzen führt das „Angehängt sein“ rund um die Uhr nicht selten auch zu psychischer Überlastung bis hin zum Burnout. Dabei ist die Unabsehbarkeit der Länge und des Ausmaßes der Pflege ein sehr verunsichernder Faktor. Ist man auf sich alleine gestellt, leidet meist auch der Kontakt zu Freunden und Bekannten darunter. Oft vergessen pflegende Angehörige ihr Umfeld in die Pflege und Betreuung mit einzubeziehen. Geschwister, Ehegatten oder Nachbarn um Hilfe zu bitten kostet Überwindung. Zudem kommen im Kontext der Pflege und Betreuung oftmals alte Familienkonflikte hoch. Hier kann ein Beratungsgespräch helfen.
Seit Kurzem gibt es eine „zugehende Beratung“. Was macht dieses Angebot aus?
Wir wissen, dass es für viele pflegende und betreuende Angehörige oft schwer ist, Termine außer Haus wahrzunehmen. Um auch diese Personen mit der psychosozialen Beratung erreichen zu können, kommen unsere Mitarbeiter direkt zu den pflegenden Angehörigen nach Hause. Ein Beratungsgespräch beispielsweise kann auch vor Beginn einer Pflege- oder Betreuungssituation in Anspruch genommen werden, um dann im Falle des Falles gerüstet zu sein.
Wie werden solche Angebote angenommen?
Zu Beginn sind viele skeptisch, ob die Angebote auch tatsächlich eine Unterstützung sein können. Gerade nach den Erholungstagen hören wir oft, dass es ein tolles Gefühl war, endlich wieder zu lachen und die Seele baumeln lassen zu können. Nach einer Beratung berichten Menschen immer wieder, dass sie die Situation zu Hause nun aus einem anderen Blickwinkel betrachten können und sich wieder handlungsfähig fühlen.
Caritas Servicestelle für Pflegende Angehörige:
Tel.: 0676/8776 2440
Web: www.pflegende-angehoerige.or.at