Junior Obaretin kam als Asylwerber nach Österreich und musste sich mit vielen Herausforderungen auseinandersetzen – von Sprachbarrieren bis hin zu einem unsicheren Aufenthaltsstatus. Doch er fand seinen Weg: Durch seine freiwillige Arbeit in einem Seniorenwohnhaus entdeckte er seine Leidenschaft für die Betreuung von älteren Menschen.
Österreichisch hat Junior Obaretin weniger im Deutschkurs gelernt, sondern als Erntehelfer auf dem Feld. Es war jedoch die Freiwilligenarbeit, die ihm das Herz der Menschen hier näher brachte: Da er rechtlich in den Tätigkeiten, die er ausüben durfte, eingeschränkt war, half er ehrenamtlich im Seniorenwohnhaus mit - und war schnell Feuer und Flamme für die Arbeit mit Senior*innen. „Es ist immer etwas los und es macht mir großen Spaß, mir Aktivitäten für die älteren Menschen zu überlegen. Und mit ihnen zu tanzen“, erzählt der 30-Jährige. „Es ist einfach schön, wenn sie von Herzen lachen.“
Noch während seines Asylverfahrens begann er die Ausbildung an der Caritas-Schule für Sozialbetreuungsberufe in Linz-Urfahr. Ein Vorbereitungslehrgang, eigens dafür entwickelt, Migrant*innen beim Einstieg in die Ausbildung zu unterstützen, half ihm, sich hineinzufinden. „Anfangs hatte ich Angst, dass ich nicht akzeptiert werde, weil ich Asylwerber bin“, gesteht der gebürtige Nigerianer. Doch diese Sorge konnte er schnell ablegen. Von der Schule und den Lehrkräften erhielt er vollste Unterstützung - sprachlich, fachlich und auch menschlich. Insbesondere in der Zeit des noch laufenden Asylverfahrens gab ihm diese Unterstützung eine wichtige Stabilität, lebte er doch ständig mit der Möglichkeit, dass sein Asylverfahren abgelehnt werden könnte und er Österreich von einem Tag auf den anderen verlassen müsse. Nach zwei Jahren an der Schule konnte er aufatmen: Er bekam einen positiven Asylbescheid und konnte sich nun voll auf seine Ausbildung konzentrieren.
Chancen für Migrant*innen
Der Schule ist es ein besonderes Anliegen, ihre Schüler*innen zu unterstützen. Insbesondere werden Schüler*innen mit Migrationshintergrund angesprochen. Wer Deutsch als Zweitsprache hat, profitiert besonders vom Vorbereitungslehrgang. Innerhalb eines Jahres werden sie darin sprachlich wie inhaltlich vorbereitet. In einem von der Schule organisierten Lerncafé helfen Freiwillige den Schüler*innen beim Lernen. Zusätzlich arbeitet die Schule eng mit Projekten zusammen, die Migrant*innen in die Ausbildung vermitteln - wie z.B. dem Caritas-Projekt „FEMily“, das speziell Frauen mit Migrationshintergrund an den Arbeitsmarkt heranführt. „Wir haben großteils Berufseinsteigerinnen, die noch nie in Österreich gearbeitet haben“, weiß Projektleiterin Regina Stöbich. „Wir machen mit ihnen Exkursionen, zeigen ihnen Berufsmöglichkeiten auf und vermitteln sie an Stellen, um Praxis zu sammeln.“ Das eröffnet ihnen neue Perspektiven - insbesondere wenn sie, wie viele Migrant*innen, von Dequalifizierung betroffen sind, d.h. dass ihre Ausbildung und Berufserfahrung in Österreich nicht anerkannt wird und sie auf der Suche sind nach einer Chance auf Verbesserung. So lernen sie auch Berufsmöglichkeiten kennen, die sie nie im Blick hatten, wie z.B. die Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen.
Wachstum durch Wertschätzung
Lehrer*innen wie Karin Bräuer erleben dabei hautnah den Weg der Schüler*innen mit. „Als Lehrerin ist es dabei so schön zu sehen, wie sie wachsen und sich entwickeln“, betont sie. „Wir gehen jeden Schritt mit und freuen uns über jeden Erfolg.“ Der eiserne Wille, den Junior Obaretin trotz seiner schwierigen Startbedingungen an den Tag gelegt hat, beeindruckt sie besonders. „Er ist als junger Mann ohne Freunde, soziales Netz und ohne die Sprache zu beherrschen in eine fremde Kultur hineingestolpert“, resümiert sie. „Er hat einen eisernen Willen an den Tag gelegt und die Ausbildung mit Auszeichnung abgelegt - mit fast nur Einsen im Zeugnis.“
Dass die Schule über den Unterricht hinaus Unterstützung bietet und den Lehrkräften diesen Raum gibt, empfindet sie als große Bereicherung. „Vielen hilft es, wenn sie mit ihren Bedürfnissen und Ängsten wertfrei gesehen werden“, erzählt die Lehrerin. „Oft brauchen sie nur ein einfaches Gespräch, in dem sie gehört werden und jemand sieht, wie es ihnen gerade geht.“ Von unschätzbarem Wert war dabei auch das Umfeld, das Junior Obaretin in der Ausbildung und in den Praktika vorfand. „Ich wurde als Mensch wahrgenommen und nicht als Arbeitskraft“, bestätigt er. „Auch wenn ich mich mit Händen und Füßen verständigt habe, hat man mich nicht bewertet, sondern mich spüren lassen: Wir freuen uns, dass du da bist. Das war eine tolle Erfahrung und hat auch mein Selbstbewusstsein gestärkt. Zu Hause war ich immer eher schüchtern. Jetzt weiß ich, dass ich nicht dumm bin. Ich spüre, was ich weiß und was ich kann.“
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