Galopp für die Seele: Wo (Selbst-)Vertrauen auf vier Hufen wächst

Auf dem Rücken der Pferde wachsen Kinder und Jugendliche nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Bei den Begegnungen zwischen Mensch und Tier im Integrativen Reitzentrum St. Isidor hinterlassen die Pferde Hufspuren - nicht nur im Sand der Reithalle, sondern auch in den Herzen.

Der kleine Malik steht zögernd vor der Pferdebox. Seine Finger umklammern die Bürste, seine Augen verraten Unsicherheit. Neben ihm wartet das kleine Pony Tristan. Ein leises Wiehern, ein erster Schritt – und plötzlich entsteht eine Verbindung, die mehr sagt als Worte. Es ist die erste Begegnung, die erste Berührung von vielen Stunden des Pferdeflüsterns, die noch folgen werden.

Sieben Kinder stehen rund um Therapeutin Petra Jaklitsch. Die Dreijährigen sind zum ersten Mal im Reitzentrum. „Wie begrüßt man ein Pferd“, fragt Jaklitsch und erklärt nach einer kurzen Pause: „Über den Geruch.“ Sie streckt Tristan die Hand hin. „Tristan erinnert sich an meinen Geruch und erkennt mich so wieder. Euer Geruch ist neu für ihn - er muss euch erst kennen lernen.“

Und so startet die Gruppe auch - mit dem gegenseitigen Beschnuppern und dem schüchternen Hoffen, dass man sich riechen kann. Petra Jaklitsch führt ein Kind nach dem vor Tristan und ermutigt es behutsam, sich zu trauen, ihm die Hand hinzustrecken. Der Kontakt glückt. Das Sich-näher-Kommen kann weitergehen.

Vorsichtig gleiten die kleinen Kinderhände mit der Bürste über das warme Fell. Noch sind die Kinder scheu. Wenn sie etwas älter sind, und erfahrener mit Pferden, werden sie ihre Wangen an das warme Pferdefell schmiegen, den Hals umarmen und dem Tier ein Bussi auf die Stirn drücken. Selbst die sonst emotional eher zurückhaltenden Jugendlichen können ihre Freude nicht verbergen, und sogar den jungen Männern entkommt beim Putzen der Pferde oft ein glückliches Lächeln.

Bewerbungstraining am Halfter

Es ist Dienstag Vormittag. In der Reithalle herrscht Hochbetrieb. Während die Kinder den ersten Umgang mit dem Pferd erfahren, arbeiten Jugendliche vom Projekt „AusbildungsFit“ an ihrer Kommunikation und Körpersprache. Das aber nur ganz nebenbei - im Mittelpunkt steht die Freude am Umgang mit dem vierbeinigen Gefährten.

An diesem Tag arbeitet die Gruppe mit Twister. Die Stute hat ein gemütliches Naturell. Für die Jugendlichen heißt das, sie müssen sich umso mehr durchsetzen und energisch sein, wenn sie mit ihr arbeiten. Steht sie in der Box an der Wand, gilt es sie dazu zu bewegen, ihnen ausreichend Platz zu geben. In der Halle führen sie die Stute durch einen Hindernisparcours und versuchen, ihr Kommandos wie „Laufen“ oder „Rückwärts gehen“ zu geben. „Bei den Befehlen müsst ihr energisch sein, mit der Stimmlage nach oben“, betont Kerstin Jordan.

Ein bis zwei Jahre lang begleitet sie die Jugendlichen während ihrer Berufsorientierung. Sie trainiert mit ihnen die soziale Kompetenz, arbeitet viel hinsichtlich der Körpersprache, die gerade in Hinblick auf das Bewerbungsgespräch wichtig ist und vertieft die Persönlichkeitsentwicklung. Jede*r Jugendliche hat ein Fähigkeiten-Board, das die eigenen Kompetenzen aufzeigt - und die Fertigkeiten, an denen man gerade arbeitet. Bei Ronja, seit einem halben Jahr im Projekt, ist es der Umgang mit Stress. Für andere ist es eine Herausforderung, sich in eine unbekannte Situation hineinzutrauen oder etwas Neues zu versuchen. Im Reitzentrum können sie ohne Versagensdruck daran arbeiten.

Kerstin Jordan erinnert sich an eine Jugendliche, die sich anfangs nur in die Sattelkammer traute. Sie hatte Angst davor, mit dem Pferd in der Box zu sein oder es zu führen. Nach einem Jahr wagte sie sich sogar ans Pferd. „Gerade in Hinblick auf Körpersprache und Kommunikation habe ich den Pferdetrainings viel gelernt“, sagt Ronja. „Wie wichtig es ist, mit dem Pferd zu reden. Dass man nicht grob sein darf, sondern locker sein kann. Und dass ich mich auf das Pferd verlassen kann.“

Erfahrungswelt Pferd verstärkt Empathie

Die Dreijährigen vom Kindergarten sind gerade erst am Anfang dieses Weges. Eine Woche später werden sie zum ersten Mal auf dem Pferd sitzen. Doch schon in der ersten Stunde zeigen sich die Unterschiede: Das kleinste Mädchen konnte sofort umsetzen, wie man mittels Körpersprache „Schritt“ und „Halt“ sagt. Ein Junge war zu forsch, ihn musste Petra Jaklitsch bremsen. Die meisten waren verhalten. Das wird sich aber schnell geben.

 „Das ‚Getragen-Werden‘ von einem Pferd ist etwas ganz Magisches“, betont Reitzentrums-Leiterin Romana Pixner. „Das schafft ein neues Selbstbewusstsein, zu wissen: Ich sitze auf einem Pferd.“ Auf dem Rücken der Pferde werden die Kinder ein kleines Stückchen größer– auch innerlich. Dieses spielerische Lernen am Lebewesen Pferd will sie so vielen wie möglich zugänglich machen - insbesondere, da Pferde heutzutage schon sehr aus unserem Alltag verschwunden sind. Und um für Kinder und Jugendliche, die immer mehr sitzen und sich weniger bewegen, eine andere Erfahrungswelt zu öffnen.

„Pferde sind sehr feinfühlig und reagieren prompt“, sagt Pixner...

Lesen Sie die komplette Reportage über das Reitzentrum St. Isidor, mehr über soziale Arbeit mit Tieren und aktuelle Infos aus der Caritas in der neuen Ausgabe unserer Zeitung „nah dran“. Kostenlos abonnieren bei der Caritas Information, Tel. 0732/7610-2020, information(at)caritas-ooe.at