Bis zu ihrem 29. Lebensjahr lebte Ivonne Sinner bei ihren Eltern – nicht aus eigener Entscheidung. Eigentlich wollte die junge Frau mit der Volljährigkeit ausziehen. Sie war überzeugt: Ab einem gewissen Alter gehörte es sich nicht mehr, bei den Eltern zu leben. Doch aufgrund ihrer Beeinträchtigung brauchte sie für die Schritte in die Selbständigkeit eine betreute WG.
15 Jahre warten
15 Jahre dauerte es, bis ein Wohnplatz frei wurde. „Zehn Jahre lang haben wir wirklich gekämpft, damit sie einen Wohnplatz bekommt“, erinnert sich ihre Mutter Christine Sinner. Die lange Betreuung forderte ihren Tribut. Von Jahr zu Jahr ging es der Mutter schlechter. Die Mehrfachbelastung von Arbeit, dem Auszugswunsch der Tochter und der Betreuung reduzierten die Energiereserven zunehmend. Ständig musste jemand da sein, um Ivonne zu unterstützen. Oft wurde sie über Nacht krank, den Eltern ging der Pflegeurlaub aus. „In den letzten Jahren hatte ich keine Kraft mehr, wegen eines Wohnplatzes verschiedene Stellen durchzurufen“, gesteht die Mutter. „Meine zweite Tochter hat das schließlich übernommen.“
Unterstützung bei der Alltagsbewältigung
Die Freude und Erleichterung war schließlich groß, als 2020 die Zusage für einen Wohnplatz in Andorf kam. „Mir ist es wichtig, alles soweit möglich selbständig zu erledigen“, betont die 32-Jährige. In der WG bekommt sie die Unterstützung, die sie braucht – um den Alltag zu bewältigen, aber auch, um noch selbständiger zu werden. „Ich bin froh, dass mich jemand begleitet, wenn ich einkaufen oder spazieren gehe“, sagt Ivonne Sinner. „Beim Gehen bin ich unsicher und durch die vielen Baustellen in Andorf ist der Gehsteig oft schmäler oder blockiert.“
Selbständig im Beruf und daheim
Auch beruflich ist ihr das selbständige Arbeiten wichtig. Seit 2019 arbeitet sie bei der EVG Group St. Florian in der Integrativen Beschäftigung. Hier hat sie das Umfeld gefunden, in dem sie sich wohl fühlt und wo ihr die Arbeit Freude macht. Der nächste Schritt für sie ist, in ein Zimmer mit eigener Küchenzeile zu wechseln. Damit sie lernen kann, Brot zu backen, und genug Raum hat, um bei Besuch den Kaffee herzurichten. „Und ich will es schaffen, mein Zimmer selbständig in Ordnung zu halten und zu putzen.“